Larry Sanger über Gottesbeweise

In seiner Geschichte über seine Hinwendung zum Glauben an Jesus hat Larry Sanger sich auch mit den verschiedenen Gottesbeweisen beschäftigt. Anfangs fand er sie für sich genommen nicht überzeugend, bis es „Klick“ gemacht hat. Seine Zusammenfassung trifft genau den Punkt, um den es bei den Gottes-Beweisen geht. Es geht nämlich nicht darum, dass ein einzelner Beweis ein „Gotcha“ ist, der dich restlos überzeugt. Vielmehr ist es das Zusammenspiel der verschiedenen Herangehensweisen, dass die statistische Plausibilität der Existenz Gottes massiv erhöht:

This is a greatly condensed summary; I developed these ideas in much greater depth. But beyond such details, what I dwelled upon more than anything is the fact that the arguments taken together are far more persuasive than I had understood. Individually, the arguments might seem relatively weak. As I said, the Argument from Contingency only shows that a necessary being exists. The Argument from Causality shows only that the universe had a cause outside of itself. The Argument from Design shows only that the universe has some sort of designer or other. An Argument from Morality might add that the designer is benevolent, to some degree, in some way, but not even necessarily personal. But what happens when we combine all the arguments to make a unified case for the existence of God? I’m not sure the idea had ever dawned on me, certainly not with its present vividness. Taken together, the arguments point to a necessary being that exists apart from space, time, and matter. This is the very cause of the universe, which was designed according to orderly abstract laws. Ever more complex properties emerge, one from another, with great beauty and rationality—rationality that exhibits various mind-like features. This order can even be described as good, a cosmos indeed, because life and its preservation seem to be part of the plan, and life is the very standard of value.

Larry Sanger und ein Glaube, der durch den Kopf geht

Dank Ron Kubsch bin ich auf die spannende Geschichte von Larry Sanger gestoßen und wie er von einem Skeptiker zu einem Jesus-Nachfolger wurde. Larry Sanger ist einer der Mitbegründer der Wikipedia.

Beim Lesen ist mir folgende Passage aufgefallen:

I was 17 and four or five years had passed since my confirmation. In the intervening time, I had only rarely thought about God. But I started again, now in a philosophical mode, and it came as something of a discovery that I did not seem to believe in God anymore. At some point in my late teens, I remember calling up a pastor—I forget which—to ask skeptical questions. It felt bold for a teenager to do, but I was not merely being rebellious. I really needed help thinking these things through. But the pastor had no clear or strong answers. He seemed to be brushing me off and even to treat me with contempt. It seemed to me he did not care, and if anything, I had the impression that he felt threatened by me. This was a surprise. The damage was quickly done: being met with hostile unconcern by a person I expected to be, well, pastoral confirmed me in my disbelief.

Diese Passage deckt sich sehr stark mit vielen Aussagen aus dem Buch „Warum ich nicht mehr glaube“ von Tobias Faix et al. In diesem Buch berichten Menschen darüber wieso sie irgendwann ihren Glauben verloren haben. Und eine wiederkehrende Antwort war entweder „Man wollte meine Fragen nicht hören“ oder „Man konnte mir keine Antworten geben“.

Damals war ich noch frisch im Dienst. Nachdem ich das Buch gelesen hatte, habe ich mir als ein Motto für meinen Dienst gegeben: „Jede Frage ist Ok. Und speise niemanden mit billigen Antworten ab.“

Für viele ist der Glaube keine Frage von Ratio und Verstand. Für viele ist es wichtiger, dass sie den Glauben fühlen und erleben. Aber es gibt eben auch viele Menschen, die sehr wohl mit Kopf und Verstand „glauben“ müssen und wollen. Ich bin einer davon.

Natürlich kann man nicht erwarten, dass jedes Gemeindemitglied Antworten auf philosophische und wissenschaftliche Anfragen an den Glauben hat. Aber ich glaube nicht, dass es zuviel verlangt ist, dass jemand, der Pastor sein will, intellektuell eine gewisse Grundbildung mitbringt und sich informiert und einliest.

Ich bin der Meinung, dass ein Pastor sich zumindest mit den häufigsten Anfragen an den Glauben auseinandergesetzt haben sollte und darauf Antworten geben kann. Dass man bei so einer Frage zumindest sagt: „Weißt du was, das ist eine sehr gute Frage, auf die ich jetzt keine Antwort habe. Aber ich werde mich hinsetzen und darüber nachforschen und dann melde ich mich.“

Und wenn man selbst keine Antworten hat, dann sollte man zumindest wissen, wohin man jemanden verweisen kann.

Von Kirchen und Pferden

Johannes Wischmeyer, „Wir haben verstanden – Wie die evangelische Kirche wieder missionarischer wird“

https://www.welt.de/debatte/kommentare/article248677702/KMU-Studie-Wie-die-evangelische-Kirche-wieder-missionarischer-wird.html

„Ja, die Kirchen müssen vor allem den Glauben gut vermitteln, um gegenzusteuern. Aber das können sie eben nur, wenn sie sich auch an politischen Erwartungen der Gesellschaft anpassen.“

Dieser Text erinnert mich an das berühmte Zitat, das Henry Ford zugeschrieben wird: „Wenn ich die Leute gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt ’schnellere Pferde'“.

Der Autor verweist darauf, dass die meisten Befragten der Meinung sind, die Kirchen entwickeln sich inhaltlich in die richtige Richtung. Daraus kommt er zum Fazit, dass die Kirche diese inhaltliche Entwicklung weiterführen muss + etwas mehr Rückbesinnung darauf, dass sie ja irgendwie „christlich“ ist.

Ich bin da skeptisch. Ich zweifle daran, dass die Menschen, die diese Antwort gegeben haben, irgendwann mal überzeugte und engagierte Kirchgänger werden, nur weil die Kirche sich weiter im gesellschaftlichen Strom vorwärtsbewegt.

Denn was sollen die befragten Menschen, die augenscheinlich diese inhaltlichen Positionen selbst teilen, denn sonst antworten? Etwa: „Ach wissen Sie, ich würde mir wünschen, dass die Kirche sich mehr gegen den gesellschaftlichen Strom stellen würde und mehr rückwärtsgewandt wäre und weniger das vertreten würde, wovon ich überzeugt bin …“?? Natürlich wünschen sich die Menschen, dass die Kirche stärker die Positionen übernimmt, die sie selbst bereits teilen.

Das sagt aber gar nichts darüber aus, dass die Kirche dadurch durch-säkularisierte Menschen irgendwie für sich gewinnen würde. Sie stirbt auf diesem Weg nur halt langsamer. Denn natürlich würden sich noch viel mehr Menschen viel schneller von der Kirche abwenden, wenn sie sich plötzlich auf ihren Auftrag besinnen würde, das Evangelium von Jesus zu verkündigen.

Aber ob es nun 10 oder 50 Jahre dauert: Am Ende wird die Kirche so oder nur ein Schatten ihrer selbst sein, weil die Zeit der Volkskirchen zu Ende geht.

Gedanken über Asbury

„Erweckung in Asbury“ – diese Schlagzeilen sind durch die christliche Medienwelt in den letzten Wochen gegangen.

Ich gebe ehrlich zu: Meine ersten Gedanken waren sehr skeptisch: „Wird da wieder was gepuscht? Entsteht da ein neuer charismatischer Hype?“ Je mehr ich aber aus Asbury mitbekommen habe, umso interessierter wurde ich. Das klang doch etwas anders, als man es von anderen „Aufbrüchen“ mitbekommen hat. Vor allem die Artikel bei „Christianity Today“ über Asbury fand ich sehr aufschlussreich:

‘No Celebrities Except Jesus’: How Asbury Protected the Revival

Asbury Professor: We’re Witnessing a ‘Surprising Work of God’

Ich bin Pastor einer lebendigen Baptisten-Gemeinde im Norden Deutschlands. Asbury ist weit weg. Gleichzeitig gibt es auch bei uns immer wieder den Wunsch danach, dass Gott unsere Gemeinde bewegt und dass er einen geistlichen Aufbruch schenkt. Mich bewegte der Gedanke, wie ich damit umgehen sollte, wenn bei uns die Frage aufkommen würde, ob wir nicht etwas ähnliches auch bei uns in Bewegung setzen sollten.

Das hier ist „work in progress“ und der Versuch, einige Lektionen aus Asbury aus der Fern-Beobachtung mitzunehmen:

1. Geistliche Aufbrüche sind real

Gott ist überall und sein Geist kann überall wirken. Aber Gott wirkt nicht an jedem Ort und zu jeder Zeit auf die gleiche Weise. Es gab und gibt Zeiten und Orte, wo die Gegenwart Gottes intensiver erlebt werden kann, als an anderen Stellen und Zeitpunkten. Das intensive, gemeinschaftliche Wirken Gottes zu einem bestimmten Zeitpunkt hat bereits die Urgemeinde in Apg 4,31 erlebt. Durch die Kirchengeschichte hindurch gab es immer wieder geistliche Aufbrüche, die teilweise große kirchliche oder sogar gesellschaftliche Umbrüche nach sich zogen.

2. Geistliche Aufbrüche sind nicht planbar

Was mich besonders aufhorchen ließ bei der Geschichte über Asbury, war die Situation, die das ganze faktisch in Bewegung gesetzt hat. Zack Meerkreebs, ein Hilfstrainer einer Fußballmannschaft und gleichzeitig Mitarbeiter einer Missionsgesellschaft, predigte über Römer 12. Er war so unzufrieden über seine Predigt, dass er seiner Frau nach der Andacht getextet hat: „Wieder ein Reinfall. Ich bin gleich zu Hause.“ Keiner in Asbury hatte einen „Revival“-Feldzug geplant. Da war kein charismatischer Redner, der die Menge aufpeitschen wollte. Bis zum Ende der Schul-Andachtszeit vermittelte nichts den Anschein, dass hier etwas geschehen wird, was später Schlagzeilen machen wird. „Der Geist weht wo er will“ sagte Jesus zu Nikodemus.

3. Geistliche Aufbrüche sind nicht kopierbar

Weil geistliche Aufbrüche nicht geplant werden können, kann man sie nicht einfach kopieren und an einem anderen Ort herbeiführen. Wir brauchen keine „Asbury Nights“, keinen „Asbury Plan“, keine „Asbury Strategie“ oder irgend etwas ähnliches. Wir können dankbar sein für das, was diese Menschen in Asbury erleben. Ich wünsche ihnen von Herzen eine tiefe Begegnung mit der belebenden und heilenden Kraft Gottes. Ich wünsche mir von Herzen, dass dieses bewegten Menschen wieder andere Menschen bewegen und so die Liebe Gottes größere Kreise ziehen kann. Und es ist auch gut, wenn Menschen die Sehnsucht haben, so etwas auch zu erleben. Aber keine Methode und Strategie dieser Welt wird dieses besonderen Moment herbeiführen können.

Das bedeutet nicht, dass wir nichts tun können. Wir sollen und dürfen unsere Sehnsüchte zu Gott bringen. Wir dürfen uns auf ihn ausrichten, auf sein Wort hören, seine Nähe suchen, vor allem auch in der Gemeinschaft mit anderen Christen. Wir dürfen offen dafür sein, dass Gott auf eine unerwartete Weise in unserem Leben wirkt. Aber erzwingen können wir solche Augenblicke nicht.

4. Geistliche Aufbrüche sind kein Selbstzweck

Das andere, was mir beim Lesen der Berichte imponiert hat, war der feinfühlige Umgang der Universitäts-Leitung mit diesem besonderen Augenblick. Sie haben alles dafür getan, damit möglichst viele Menschen diese Erfahrung teilen konnten, ohne dass jemand dieses Ereignis für sich kapern sollte. Dafür haben sie manchmal auch bewusst eingegriffen und verhindert, dass einzelne Personen zu viel Raum eingenommen haben, ohne dabei das Wirken Gottes zu blockieren. Die Versuchung ist groß, die Aufmerksamkeit, die durch so ein Ereignis entsteht, für sich selbst und die eigenen Anliegen zu nutzen. Aber ein Aufbruch kann nur dort entstehen, wo Menschen von sich selbst wegschauen und sich ganz auf Gott ausrichten. Geistliche Aufbrüche sind kein Selbstzweck und kein Ort für Selbstdarstellung.

📚 Traichel „Evangelikale und Homosexualität: Für eine Kulturreform“

Disclaimer: Ich habe dem Autor beim Korrekturlesen anhand eines Vorabdrucks geholfen. Das hat keinen Einfluss auf meine Rezension.


Homosexualität – das ist so ein Thema, bei dem progressive und konservative Christen wahrscheinlich den gleichen Gedanken haben, wenn auch aus sehr verschiedenen Motiven: „Nicht das schon wieder …“. Für progressive Christen ist das Thema faktisch bereits erledigt, weil die gesellschaftliche Entwicklung sich auch mehr und mehr in Kirchen und Gemeinden niederschlägt. Und für konservative Christen entsteht u.U. ein Gefühl der Frustration, weil man mit dem Eindruck zurechtkommen muss, sich dauernd dafür rechtfertigen zu müssen scheinbar auf der falschen Seite der Geschichte zu stehen.
Aber auch wenn das Thema in der (deutschen) Gesellschaft spätestens seit der „Ehe für alle“ durch ist, ist die Diskussion darüber in vielen Freikirchen immer noch in vollem Gange.


In diese Gemengelage hinein hat Johannes Traichel 2022 sein Buch „Evangelikale und Homosexualität: Für eine Kulturreform“ veröffentlicht. Es ist 300 Seiten stark und erscheint im Jota Verlag.
Was der Titel schon erahnen lässt, bestätigt der Autor dann im Vorwort selbst: Hier schreibt jemand aus einer innerevangelikalen Binnenperspektive. Johannes Traichel ist Pastor im Bund der Freien evangelischen Gemeinden. Positiv anzumerken ist, dass der Autor seine eigenen Vorverständnisse und die eigene Prägung von Anfang an offenlegt. Zugleich erhebt der Autor den Anspruch, dass das Buch dieses Thema „sachlich und ergebnissoffen“ (12) betrachten möchte. Auf der anderen Seite stellt er heraus, dass er „der Botschaft Gottes und seiner Liebe zu allen Menschen (gerade auch zu denen, die homosexuell empfinden) gerecht …“ werden will (12).


Das Buch ist in sieben Kapitel gegliedert. Im ersten Kapitel „Evangelikale und Homosexualität“ umreißt der Autor die aktuelle Debatte im evangelikalen Kontext. Dabei erörtert er an dieser Stelle auch grundsätzliche Einleitungsfragen, wie unter 1.3 „Grundsätzliches zur Homosexualität“.

Kapitel 2 widmet sich den biblischen Texten, die für dieses Thema relevant sind. Dabei setzt Traichel die Schöpfungsgeschichte als „Grundlagendokument“ für Fragen der menschlichen Sexualität voraus (48). Als Ergebnis hält Traichel fest: Die Sodom Episode (Gen 19; par 2. Petr 2,6-7 / Jud 1,7) trägt als Vergewaltigungsgeschichte nichts fruchtbares zur Diskussion über einvernehmliche Homosexualität bei. Für die Passagen Lev 18,22 & 20,13 argumentiert er nachvollziehbar, dass sich diese nicht auf eine bestimmte Form von homosexuellen Handlungen begrenzen lassen können. In diesem Sinne legt Traichel auch die neutestamentlichen Stellen aus. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang der Exkurs über „Sex in der Umwelt des Neuen Testaments“. Der exegetische Befund ist für Traichel eindeutig und in der Konsequenz für ihn unstrittig (120). Darüber, welche Schlussfolgerungen man daraus für die gegenwärtige ethische Praxis zieht, gäbe es aber ganz verschiedene Ansätze (121).

Diese diskutiert Traichel in Kapitel 3 „Ethik, Bibel und Zeitgeist“. Dort formuliert Traichel zunächst einige grundlegende Gedanken zur Ethik, bevor er sich diesem Thema aus alt- und neutestamentlicher Sicht annähert. Er bündelt diese Untersuchung im Abschnitt „Grundzüge biblischer Sexual- und Eheethik“. Anschließend geht Traichel auf einige Fragen ein, die immer wieder in der ethischen Betrachtung der Homosexualität aufgeworfen werden.

In Kapitel 4 beschreibt Traichel seine Vorstellung der „Kulturreform“, die er bereits im Untertitel erwähnt. Er leitet das Kapitel mit einem Interview mit einem Pastor ein, der aus seiner praktischen Erfahrung im Umgang mit homosexuellen Menschen berichtet. Dieses Interview ist sehr wertvoll, weil es die Theorie in der Praxis verankert.


In Kapitel 5 versucht Traichel Wege zu zeichnen, wie die christliche Gemeinde mit diesem ethischen Spannungsfeld umgehen kann. Dabei betont er, dass man im Dialog respektvoll umgehen soll; gleichzeitig plädiert er dafür, dass Gemeinden in der wichtigen Frage der Sexualethik an den überlieferten biblischen Überzeugungen festhalten sollen. Das Buch endet mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse und einem persönlichen Ausblick des Autors, der seine Wünsche für die weitere Entwicklung wiedergibt.

Wie anfangs erwähnt, ist dieses Thema emotional hoch aufgeladen. Die Argumente der verschiedenen Seiten liegen schon länger auf dem Tisch und sind bekannt. Auch Traichels Buch präsentiert objektiv betrachtet keine neuen Erkenntnisse. Was Traichel mit diesem Buch aber liefert, ist eine gründliche und trotzdem kompakte Behandlung der wichtigsten Bibelstellen und Fragen zu diesem Thema aus konservativer Sicht. Traichel gibt dabei die Argumente der anderen Seite fair und sachlich wieder und ist um einen fairen Dialog bemüht. Positiv anzumerken ist, dass es Traichel nicht bloß darum geht, sachlich recht zu behalten. Man spürt dem Buch ab, dass Traichel sowohl von dem Wunsch getrieben ist, dem biblischen Befund – wie er ihn versteht – treu zu sein, als auch dem homosexuell empfindenden Menschen in seiner besonderen Situation seelsorgerlich gerecht zu werden.
Eine Schwäche des Buchs ist es, dass es sprachlich nicht immer flüssig geschrieben ist und dadurch der Lesefluss manchmal ins Stocken gerät.
Das ändert aber nichts daran, dass das Buch eine wichtige Bereicherung und Hilfe für den interessierten Leser sein kann, egal welchen Standpunkt man bei diesem Thema einnimmt.