„Erweckung in Asbury“ – diese Schlagzeilen sind durch die christliche Medienwelt in den letzten Wochen gegangen.
Ich gebe ehrlich zu: Meine ersten Gedanken waren sehr skeptisch: „Wird da wieder was gepuscht? Entsteht da ein neuer charismatischer Hype?“ Je mehr ich aber aus Asbury mitbekommen habe, umso interessierter wurde ich. Das klang doch etwas anders, als man es von anderen „Aufbrüchen“ mitbekommen hat. Vor allem die Artikel bei „Christianity Today“ über Asbury fand ich sehr aufschlussreich:
‘No Celebrities Except Jesus’: How Asbury Protected the Revival
Asbury Professor: We’re Witnessing a ‘Surprising Work of God’
Ich bin Pastor einer lebendigen Baptisten-Gemeinde im Norden Deutschlands. Asbury ist weit weg. Gleichzeitig gibt es auch bei uns immer wieder den Wunsch danach, dass Gott unsere Gemeinde bewegt und dass er einen geistlichen Aufbruch schenkt. Mich bewegte der Gedanke, wie ich damit umgehen sollte, wenn bei uns die Frage aufkommen würde, ob wir nicht etwas ähnliches auch bei uns in Bewegung setzen sollten.
Das hier ist „work in progress“ und der Versuch, einige Lektionen aus Asbury aus der Fern-Beobachtung mitzunehmen:
1. Geistliche Aufbrüche sind real
Gott ist überall und sein Geist kann überall wirken. Aber Gott wirkt nicht an jedem Ort und zu jeder Zeit auf die gleiche Weise. Es gab und gibt Zeiten und Orte, wo die Gegenwart Gottes intensiver erlebt werden kann, als an anderen Stellen und Zeitpunkten. Das intensive, gemeinschaftliche Wirken Gottes zu einem bestimmten Zeitpunkt hat bereits die Urgemeinde in Apg 4,31 erlebt. Durch die Kirchengeschichte hindurch gab es immer wieder geistliche Aufbrüche, die teilweise große kirchliche oder sogar gesellschaftliche Umbrüche nach sich zogen.
2. Geistliche Aufbrüche sind nicht planbar
Was mich besonders aufhorchen ließ bei der Geschichte über Asbury, war die Situation, die das ganze faktisch in Bewegung gesetzt hat. Zack Meerkreebs, ein Hilfstrainer einer Fußballmannschaft und gleichzeitig Mitarbeiter einer Missionsgesellschaft, predigte über Römer 12. Er war so unzufrieden über seine Predigt, dass er seiner Frau nach der Andacht getextet hat: „Wieder ein Reinfall. Ich bin gleich zu Hause.“ Keiner in Asbury hatte einen „Revival“-Feldzug geplant. Da war kein charismatischer Redner, der die Menge aufpeitschen wollte. Bis zum Ende der Schul-Andachtszeit vermittelte nichts den Anschein, dass hier etwas geschehen wird, was später Schlagzeilen machen wird. „Der Geist weht wo er will“ sagte Jesus zu Nikodemus.
3. Geistliche Aufbrüche sind nicht kopierbar
Weil geistliche Aufbrüche nicht geplant werden können, kann man sie nicht einfach kopieren und an einem anderen Ort herbeiführen. Wir brauchen keine „Asbury Nights“, keinen „Asbury Plan“, keine „Asbury Strategie“ oder irgend etwas ähnliches. Wir können dankbar sein für das, was diese Menschen in Asbury erleben. Ich wünsche ihnen von Herzen eine tiefe Begegnung mit der belebenden und heilenden Kraft Gottes. Ich wünsche mir von Herzen, dass dieses bewegten Menschen wieder andere Menschen bewegen und so die Liebe Gottes größere Kreise ziehen kann. Und es ist auch gut, wenn Menschen die Sehnsucht haben, so etwas auch zu erleben. Aber keine Methode und Strategie dieser Welt wird dieses besonderen Moment herbeiführen können.
Das bedeutet nicht, dass wir nichts tun können. Wir sollen und dürfen unsere Sehnsüchte zu Gott bringen. Wir dürfen uns auf ihn ausrichten, auf sein Wort hören, seine Nähe suchen, vor allem auch in der Gemeinschaft mit anderen Christen. Wir dürfen offen dafür sein, dass Gott auf eine unerwartete Weise in unserem Leben wirkt. Aber erzwingen können wir solche Augenblicke nicht.
4. Geistliche Aufbrüche sind kein Selbstzweck
Das andere, was mir beim Lesen der Berichte imponiert hat, war der feinfühlige Umgang der Universitäts-Leitung mit diesem besonderen Augenblick. Sie haben alles dafür getan, damit möglichst viele Menschen diese Erfahrung teilen konnten, ohne dass jemand dieses Ereignis für sich kapern sollte. Dafür haben sie manchmal auch bewusst eingegriffen und verhindert, dass einzelne Personen zu viel Raum eingenommen haben, ohne dabei das Wirken Gottes zu blockieren. Die Versuchung ist groß, die Aufmerksamkeit, die durch so ein Ereignis entsteht, für sich selbst und die eigenen Anliegen zu nutzen. Aber ein Aufbruch kann nur dort entstehen, wo Menschen von sich selbst wegschauen und sich ganz auf Gott ausrichten. Geistliche Aufbrüche sind kein Selbstzweck und kein Ort für Selbstdarstellung.