đŸ“ș Klippert: Krisenfest werden

FĂŒr den geplanten MĂ€nnertag in diesem Jahr hat die Bibelschule Brake Wolfgang Klippert eingeladen, zwei VortrĂ€ge zum Thema „Krisenfest werden“ zu halten.

Leider konnte der MĂ€nnertag nicht in PrĂ€senz stattfinden. Das ist schade und doch GlĂŒck zugleich. Denn als Alternative hat die Bibelschule die beiden erstklassigen VortrĂ€ge aufgenommen und ĂŒber YouTube zur VerfĂŒgung gestellt.

Im ersten Vortrag geht Klippert darauf ein, was Krisen sind.

Im zweiten Vortrag gibt Klippert dann sieben RatschlĂ€ge dafĂŒr, wie wir lernen können mit Krisen umzugehen.

MĂ€nnertag 2022 an der Bibelschule Brake

Der MĂ€nnertag im Januar ist seit vielen Jahren eine feste Institution an der Bibelschule Brake. Dieses Jahr konnte er Corona-bedingt nicht stattfinden. Aber fĂŒr 2022 plant die Bibelschule wieder mit ihm.

Ich freue mich sehr, dass ich nach 2020 auch dieses Mal wieder mit einem Seminar zum MĂ€nnertag beitragen kann. In meinem Seminar werde ich ein paar Erfahrungen und Beobachtungen aus meinem Studium der beiden Evangelien von Markus (ĂŒber die Predigtreihe in meiner Gemeinde) und Johannes (ĂŒber die Bibelstudien-Reihe in meiner Gemeinde) weitergeben. Ich hoffe, dass die Teilnehmer dadurch noch mehr wertzuschĂ€tzen lernen, was fĂŒr großartige Literatur Gott uns mit den Evangelien hinterlassen hat.

Ich wĂŒrde mich freuen, dich dort vielleicht zu sehen:

https://www.bibelschule-brake.de/veranstaltungen/veranstaltung/maennertag-2022

2G, 3G – nicht OK?

Das Thema „2G, 3G und Gottesdienste“ treibt Gemeinden und Christen im Kontext der aktuell wĂŒtenden vierten Corona-Welle wieder verstĂ€rkt herum. 2G und 3G werden fĂŒr immer mehr Orte und Veranstaltungen zur Zugangsvoraussetzung. Und obwohl es manche BundeslĂ€nder gibt, die 3G auch fĂŒr Gottesdienste verlangen, bleibt diese Frage in den meisten BundeslĂ€ndern komplett den Gemeinden ĂŒberlassen.

So ist jede Gemeinde vor die Frage gestellt, selbst zu entscheiden, ob und welche ZugangsbeschrĂ€nkungen man fĂŒr die Gottesdienste festlegt.

NatĂŒrlich entbrennt ĂŒber diese Herausforderung die Frage, ob eine Gemeinde ĂŒberhaupt das Recht habe, so eine BeschrĂ€nkung festzulegen. Ich habe letztens eine lange „Hilfestellung“ einer Gemeinde gelesen, die sich vornehmlich zum Thema „Impfung“ Ă€ußert, dabei aber auch das Thema 2G/3G anspricht.1 Die Autoren der „Hilfestellung“ machen deutlich, dass Gemeindeleitungen gar nicht das Recht hĂ€tten, sich dem Staat zu beugen und einem Christen den Zugang zum Gottesdienst zu verwehren.

Wie so oft bei komplexen ethischen und theologischen Fragestellung, besteht die Gefahr, dass ein Thema unterkomplex kommuniziert wird und die verschiedenen Ebenen, die auseinander gehalten werden sollten, zu vorschnell zusammengeworfen werden.

Ich beschĂ€ftige mich mit dieser Frage auf diesem Weg, weil ich als Pastor natĂŒrlich auch herausgefordert gewesen bin, mich zu fragen: DĂŒrften wir das ĂŒberhaupt oder nicht? HĂ€tten wir das Recht dazu, GlĂ€ubigen den Zugang zum Gottesdienst zu erschweren (3G) oder u.U. ganz unmöglich zu machen (2G)?

Ich lasse hierbei bewusst den Aspekt außen vor, dass der Zugang zum Gottesdienst ĂŒber Livestreams in einer gewissen Form ja dennoch möglich ist.

An dieser Stelle möchte ich auch betonen, dass es mir nicht darum geht, die Frage zu beantworten, ob eine Gemeinde 3G oder gar 2G einfĂŒhren sollte. Es geht nur darum, ob eine Gemeinde ĂŒberhaupt das Recht dazu hĂ€tte, solche EinschrĂ€nkungen vorzunehmen. Diese zwei Ebenen auseinanderzuhalten ist extrem wichtig in meinen Augen.

Ich beobachte, dass manche Stellungnahmen aus Ablehnung der aktuellen Corona-Maßnahmen heraus ganz allgemein jede Art von ZugangsbeschrĂ€nkungen fĂŒr nicht mit der Bibel vereinbar erklĂ€ren. Wenn das so wĂ€re, dann wĂ€ren 2G und 3G tatsĂ€chlich keine Option. Wenn es aber grundsĂ€tzlich sehr wohl die Möglichkeit gibt, den Zugang zum Gottesdienst zu beschrĂ€nken, dann hat jede Gemeinde die Freiheit und Verantwortung fĂŒr sich diese Fragen in der konkreten, aktuellen Situation zu beantworten.

Wenn ich mir ĂŒber ethische und theologische Fragestellungen Gedanken mache, dann versuche ich mir immer zu ĂŒberlegen: Was passiert, wenn ich diesen Gedankengang in sein Extrem fĂŒhre? Das hilft mir, nicht in die Falle zu tappen, Entscheidungen fĂŒr eine konkrete Situation in einer Breite zu beantworten, dass daraus ungewollte Nebenwirkungen auf anderen Feldern entstehen.

Die Proposition derjenigen, die ZugangsbeschrÀnkungen grundsÀtzlich ablehnen, könnte so aussehen:

Eine Gemeinde hat kein Recht einem Christen den Zugang zum Gottesdienst zu verweigern

Diese Aussage ist auch in verschiedenen Abstufungen und Variationen denkbar:

Eine Gemeinde hat kein Recht einem Christen den Zugang zum Gottesdienst zu verweigern oder zu erschweren

Oder:

Eine Gemeinde hat kein Recht sich einer staatlichen Verordnung zu beugen, die sie anweist, GlÀubigen den Zugang zum Gottesdienst zu verweigern oder zu erschweren

Ich bleibe zunĂ€chst mal bei der allgemeinsten und weitreichendsten Formulierung „Eine Gemeinde hat kein Recht einem Christen den Zugang zum Gottesdienst zu verweigern“.

Das dieser Satz in dieser extremen Form so nicht zu halten ist, lĂ€sst sich anhand verschiedener praktischer Fallbeispiele schnell aufweisen. Dabei möchte ich noch einmal betonen, dass es sich bewusst teilweise um extrem ĂŒberspitzte Beispiele handelt. Aber sehr allgemein formulierte PrĂ€positionen mĂŒssen sich eben auch bis in die extremen Fallbeispiele hinein bewĂ€hren, wenn sie valide sein wollen.

Fallbeispiel 1: Nehmen wir an, ein Mitglied einer Gemeinde erkrankt an Krankheit, die extrem infektiös ist und bei Infektion immer tödlich verlĂ€uft, wenn auch vielleicht mit einiger zeitlicher Verzögerung zwischen Infektion, Ausbruch und Todeszeitpunkt. DĂŒrfte eine Gemeinde so einem Menschen den Zugang zum Gottesdienst verwehren, wenn man von seiner Infektion erfahren hat, mit dem Hinweis darauf, dass seine Gegenwart eine existentielle Gefahr fĂŒr alle Besucher des Gottesdienst darstellt?

Fallbeispiel 2: Ein Christ fÀllt wÀhrend des Gottesdienstes durch extrem störendes Verhalten auf; der Besucher fÀllt durch Zwischenrufe auf und es ist klar, dass diese Verhalten bewusst darauf zielt, den Gottesdienst zu stören.

Fallbeispiel 3: Ein Christ hat einen anderen Christen grenzwertig psychisch und seelisch unter Druck gesetzt. Der so geschĂ€digte Christ ist extrem verunsichert, hat die Gemeindeleitung einbezogen in die Situation, die die VorwĂŒrfe untersucht und als bestĂ€tigt sieht, traut sich aber dennoch in den Gottesdienst. Jetzt will aber auch derjenige in den Gottesdienst kommen, der diesen seelischen Druck ausgeĂŒbt hat, ohne ein GespĂŒr fĂŒr das eigene Verhalten zu haben.

Alleine Fallbeispiel 1 sollte jedem klar machen, dass die extrem allgemeine Formulierung „Eine Gemeinde hat kein Recht einem Christen den Zugang zum Gottesdienst zu verweigern“ so nicht zu halten ist. Wenn von einer Person eine faktische Gefahr fĂŒr die anderen Besucher des Gottesdienstes ausgeht, hat die Gemeindeleitung nicht nur das Recht sondern u.U. auch die Pflicht, diesem Menschen den Zugang zum Gottesdienst zu verwehren. Die anderen beiden Fallbeispiele zeigen auf, dass dieser Grundsatz nicht nur fĂŒr den sehr engen Bereich der medizinischen Risiken Anwendung finden könnte.

Das ist jetzt erst einmal eine rein philosophische Betrachtung dieses Themas. Gibt es aber auch biblisch-theologische Hinweise, diese Sicht der Dinge bestÀtigen? Ich denke, die gibt es tatsÀchlich.

Ein Hauptzeuge fĂŒr diese Sicht der Dinge ist das 3. Buch Mose „Leviticus“. Einen wichtigen Teil dieses Buches nimmt die Einsortierung von Krankheiten, ethischen Verhaltensweisen etc. in „rein“ und „unrein“. Dieses Thema fĂŒr sich ist bereits sehr komplex, darauf muss an dieser Stelle deutlich hingewiesen werden. Es fallen viele verschiedene Bereiche hier hinein, die bei oberflĂ€chlicher Betrachtung scheinbar nichts miteinander zu tun zu haben.

Ich greife exemplarisch einen Themenbereich heraus, der medizinische Fragen berĂŒhrt, weil es direkt unsere Fragestellung berĂŒhrt.

In Lev. 13,3–46 wird ausfĂŒhrlich ĂŒber den Umgang mit Hautkrankheiten gesprochen. Auch hier gibt es wiederum viele Details, die man betrachten könnte, wenn man genau verstehen will, was genau hier warum passiert. Den Raum dafĂŒr haben wir nicht. Klar ist, dass der Text nicht ein modernes VerstĂ€ndnis von Infektionskrankheiten zugrunde legt. Es ist also nicht oder nicht ausschließlich die Frage der Ansteckungsgefahr, die definiert, ob jemand aufgrund medizinischer AuffĂ€lligkeiten als „rein“ oder „unrein“ eingestuft wird. Trotzdem öffnen diese Texte den Raum dafĂŒr, dass es in Gottes Augen GrĂŒnde dafĂŒr geben kann, dass ein Mensch vom Zugang zum Gottesdienst ausgeschlossen wird. Und das es genau darum geht, macht eine Anekdote aus Num 9,5-11 deutlich. Dort haben MĂ€nner eine Leiche berĂŒhrt und durften deshalb nicht am Passah-Fest teilnehmen, weil sie „unrein“ geworden sind. Diese MĂ€nner beschweren sich, wieso sie nicht an der Feier teilnehmen können, nur weil sie einen Toten berĂŒhrt haben. Gott bestĂ€tigt durch Mose das Verbot der Teilnahme, verweist aber auf einen alternativen Termin, an dem sie das Fest nachfeiern können.

NatĂŒrlich kann man darauf verweisen, dass es sich hier um alttestamentliche Gebote handelt, die keine direkte GĂŒltigkeit fĂŒr die neutestamentliche Gemeinde besitzen. Das ist richtig. Indirekt aber finden wir hier dennoch PrĂ€zedenzfĂ€lle vor, die aufzeigen, dass die Teilnahme am gemeinsamen Gottesdienst kein absolut unantastbares Recht des GlĂ€ubigen ist. Und zusammen mit den philosophischen Überlegungen anhand der Fallbeispiele, liegen uns zwei Indizien-Beweise vor, die dafĂŒr sprechen, dass die absolute Aussage „Eine Gemeinde hat kein Recht einem Christen den Zugang zum Gottesdienst zu verweigern“ einer grĂŒndlicheren Betrachtung nicht standhĂ€lt. Zumindest mĂŒssten die BefĂŒrworter dieser PrĂ€position auf diese EinwĂ€nde eingehen und diese sachlich widerlegen, wenn sie an dieser Proposition in dieser Form festhalten wollen.

Zwischenfazit

Die Aussage „Eine Gemeinde hat kein Recht einem Christen den Zugang zum Gottesdienst zu verweigern“ ist aus meiner Sicht weder philosophisch nicht biblisch-theologisch in dieser Form haltbar. Es können Situationen entstehen, die die Möglichkeit oder sogar die Notwendigkeit erzeugen, bestimmten Menschen – auch glĂ€ubige Christen – den Zugang zu einer gottesdienstlichen Versammlung zu verweigern.

Wenn das so ist, dann ist es Gemeinden prinzipiell freigestellt, in der aktuellen Situation 2G oder 3G Regelungen fĂŒr den Besuch des Gottesdienstes festzulegen.

Ob eine Gemeinde das tun sollte, ist eine zweite, davon separat zu betrachtende Frage. Aus meiner Sicht ist das eine Frage, die im Ermessensspielraum einer Gemeinde liegt (Mt 18,18). Wenn eine Gemeinde die Entscheidung trifft, den Zugang zum Gottesdienst aufgrund einer bestimmten Notwendigkeit zu begrenzen, dann handelt sie damit im Bereich der ihr zustehenden AutoritÀt und steht nicht im Widerspruch zu Gottes grundsÀtzlichen Geboten.

WeiterfĂŒhrende Gedanken

Ob eine BeschrÀnkung notwendig oder empfehlenswert ist, hÀngt von verschiedenen Faktoren ab:

  1. Hat die lokale Regierung BeschrĂ€nkungen fĂŒr Gottesdienste beschlossen? Wenn das der Fall ist und diese BeschrĂ€nkungen nicht willkĂŒrlich nur fĂŒr Gemeinden beschlossen wurden, sollte eine Gemeinde die Anordnungen umsetzen, weil die Regierung im Rahmen ihrer Freiheiten handelt und nicht gegen Gottes Gebote verstĂ¶ĂŸt. NatĂŒrlich steht es jeder Gemeinde frei, den Rechtsweg zu beschreiten, um prĂŒfen zu lassen, ob diese Anordnungen bezogen auf Gottesdienste tatsĂ€chlich mit deutschem Recht vereinbar sind. Das gilt erst Recht fĂŒr den Fall, dass ein Beschluss sich ausschließlich gegen Gottesdienste richtet.
  2. Gibt es eine aktuelle Bedrohungslage vor Ort? Gibt es also z.B. lokale AusbrĂŒche im Gemeindeumfeld oder eine sehr hohe Inzidenzrate vor Ort? Dann sollte man freiwillige BeschrĂ€nkungen in jedem Fall ernsthaft prĂŒfen. Das hĂ€ngt natĂŒrlich auch von der Zusammensetzung der Gottesdienstbesucher ab: Kommen viele Ă€ltere Besucher zum Gottesdienst? Gibt es Alternativen zum Gottesdienstbesuch vor Ort durch Livestreams?
  3. Alternativen zu BeschrĂ€nkungen prĂŒfen! Neben der BeschrĂ€nkungen durch 3G oder 2G gibt es noch andere Möglichkeiten, um die Bedrohungssituation durch Corona zu reduzieren. Dazu gehört u.a. eine Maskenpflicht in verschiedenem Umfang (am Platz oder nur außerhalb des Platzes, welche Art von Schutzmaske etc.). Dazu gehören aber auch Fragen nach LĂŒftungsmöglichkeiten, Sitzordnungen, Obergrenzen fĂŒr Gottesdienst-Teilnehmer, DurchfĂŒhrung mehrere Gottesdienste.

Welche Wege eine Gemeinde in dieser Frage beschreiten wird, hĂ€ngt natĂŒrlich zuerst davon ab, wie man die Bedrohungslage durch Corona grundsĂ€tzlich einschĂ€tzt: ob man ĂŒberhaupt an Corona glaubt; oder wenn man Corona fĂŒr real hĂ€lt: ob man davon ĂŒberzeugt ist, dass Corona eine ĂŒberdurchschnittliche Bedrohung fĂŒr die Gesundheit darstellt.

Fazit

Jede Gemeinde braucht fĂŒr die eigene Bewertung der Situation und der sich daraus ergebenden Konsequenzen viel Weisheit und FingerspitzengefĂŒhl. Das ganze Thema ist emotional unglaublich stark aufgeladen. Daher können Gemeindeleitungen und Pastoren nicht bei den rein sachlichen Aspekten stehen bleiben. Aber eine angemessene Entscheidungsfindung ist ohne die sachliche Grundierung nicht möglich.

Die entscheidende Frage dieser Untersuchung lautete: Hat eine Gemeinde das Recht, einem GlĂ€ubigen den Zugang zum Gottesdienst zu verwehren? Das Ergebnis lautet: Eine Gemeinde hat unter bestimmten UmstĂ€nden das Recht und u.U. sogar die Pflicht, ZugangsbeschrĂ€nkungen festzulegen. Wann so ein Fall eintritt und wie diese BeschrĂ€nkungen aussehen, hĂ€ngt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Die Gemeindeleitung hat die Verantwortung, diese verschiedenen Faktoren zu prĂŒfen, sie mit anderen Faktoren abzuwĂ€gen und eine weise Entscheidung zu treffen.


  1. Ich verlinke in diesem Kontext bewusst nicht auf diese „Hilfestellung“, weil ich nicht empfinde, dass dieses Dokument eine echte Hilfe fĂŒr Christen darstellt. Ich ĂŒberlege noch, ob ich mich in der Zukunft intensiver zu dieser „Hilfestellung“ Ă€ußern werde. ↩