Die christliche Taufe ist auf der einen Seite das Element, dass die Einheit aller Christen sinnbildlich darstellen soll. Auf der anderen Seite ist die Taufe gleichzeitig der Teil der christlichen Lehre, an dem die christlichen Geister sich leider nur allzu oft scheiden. Im Laufe der Kirchengeschichte haben sich ganz verschiedene Zugänge zur Taufe entwickelt, die teilweise unversöhnlich nebeneinander stehen.
Worum aber geht es bei der Taufe? Was stellt sie dar und was stellt sie nicht dar? Was ist Sinn und Zweck der Taufe? Und wie kann und sollte Taufe verstanden und durchgeführt werden, damit sie dem entspricht, was Jesus sich dabei gedacht hat?
Das sind u.a. die Fragen, die Johannes Traichel im Buch „Die christliche Taufe: Eine freikirchliche Perspektive zur Bedeutung, Voraussetzung und Durchführung der Taufe“ (2020, jOTA Publikationen), aufgreift und zu beantworten versucht. Das der Autor an dieses Thema nicht vollkommen neutral herantritt, macht bereits der Untertitel deutlich. Johannes Traichel ist Pastor im Bund der Freien Evangelischen Gemeinden. Er ist sich bewusst, dass die Gefahr besteht, dass man mit gewissen dogmatischen Vorentscheidungen an die Texte herangeht und dann die Ergebnisse vorfindet, die man bereits mitgebracht hat. Sein Anspruch ist es, die Bibel selbst sprechen zu lassen ( 13f). Um aber der Zirkelschluss-Problematik ein Stückweit vorzubeugen, ist es sein Anspruch, auch alternative Deutungen zu Wort kommen zu lassen (15f).
Das Buch ist klar gegliedert und besteht inhaltlich aus 5 Teilen: In der Einleitung formuliert er die Fragestellung, benennt die Herausforderungen, beschreibt seine Methodik und legt seine eigenen Voraussetzungen transparent dar. In Kapitel 2 beschreibt er holzschnittartig die gängigsten Taufverständnisse: Lutherisch, Katholisch und Freikirchlich. Kapitel 3 ist das umfangreichste Kapitel und offensichtlich der Kern der Arbeit. Dort untersucht der Autor den biblischen Schriftbefund anhand zentraler neutestamentlicher Texte. Er geht dabei zu Beginn auf den historischen Hintergrund der Taufe ein – Stichwort: Proselytentaufe – und auf den Taufbegriff selbst.
Anhand der Ergebnisse aus Kapitel 3 nähert er sich in Kapitel 4 den dogmatischen Fragestellungen anhand von vier Themen: Die Begründung, die Bedeutung, die Voraussetzung und die Durchführung der Taufe. Kapitel 5 schließt die Arbeit ab, indem dort ein thesenartiges Fazit und Resumé formuliert wird. Das Buch endet mit einem Schlusswort und einem ausführlichen Literaturverzeichnis.
Das Literaturverzeichnis und die teilweise sehr umfangreichen Fußnoten machen deutlich, dass der Autor sehr viel Arbeit in dieses Buch investiert hat. Dabei ist positiv zu bemerken, dass der Autor sich im Gespräch mit einer großen Bandbreite an Literatur aus sehr verschiedenen theologischen Richtungen befindet.
Eine Stärke des Buches ist auch die sehr ausführliche Beschäftigung mit den zentralen Passagen der Bibel zu Tauffrage. Der Autor versucht dabei einerseits herauszuarbeiten, was diese Passagen uns mitgeben möchten. Gleichzeitig lässt er immer auch konkurrierenden Meinungen viel Raum zu Wort zu kommen. An manchen Stellen hätte ich mir dabei etwas mehr Struktur und „Leitung“ durch den Meinungsdschungel durch den Autor gewünscht. So bleibt man am Ende mancher Analysen u.U. etwas ratlos zurück, was jetzt das Ergebnis ist. Möglicherweise spiegelt das aber an der einen oder anderen Stelle nur die Unsicherheit des Autors selbst wider.
Die Herausforderung, die der Autor sich gestellt hat, hat er am Ende auch geliefert. Er beantwortet die entscheidenden Fragen zur Taufe, mit einem Finger in der Bibel und mit dem anderen Finger in der reichhaltigen Auslegungsgeschichte.
Ein paar Anmerkungen und Anregungen für eine eventuelle Überarbeitung in der Zukunft möchte ich aber an dieser Stelle noch mitgeben:
Ich bin etwas skeptisch, ob die Struktur in Kapitel 2 wirklich angemessen ist. Es ist eine sehr Deutschland-zentrierte Struktur, die die beiden Landeskirchen auf die eine Seite und die Freikirchen auf die andere Seite stellt. Dabei wirkt es so, als wären die Freikirchen in dieser Frage ein monolithischer Block. Zum Einen ist das nicht der Fall, da auch in einigen Freikirchen Säuglingstaufen praktiziert werden. Zum Anderen spielt „Freikirche“ als Oberbegriff einer Gruppe von Konfessionen in anderen Ländern keine Rolle. Meines Erachtens wäre eine Aufteilung in „Säuglingstaufe“ und „Glaubenstaufe“ mit eventuellen weiteren Unterteilungen hilfreicher und dem Thema angemessener.
Generell habe ich mir beim Lesen die Frage gestellt, wer die Zielgruppe dieses Buches ist: Andere Pastoren? Interessierte Laien? Für Laien könnte das Buch u.U. schwer zugänglich sein, weil hier und da Fachbegriffe verwendet werden, die manchen Lesern nicht bekannt sein könnten. Auf S. 95 wird der griechische Bibeltext nicht wie an den anderen Stellen ins Deutsche übersetzt. Etc. Das sind Stolpersteine für manche theologisch nicht ausgebildete, aber interessierte Laien, die man mit etwas Arbeit aus dem Weg räumen könnte.
Beim Lesen ist mir aufgefallen, dass dem Buch ein ausführlicheres Lektorat gut getan hätte. So ist es an manchen Stellen stilistisch etwas kantig. So schleichen sich hier und da komplizierte Schachtelsätze ein, die man für eine bessere Lesbarkeit aufbrechen könnte (S. 16, 17). An anderen Stellen haben sich Fehler in den Formulierungen (S. 10 Fn 6 vorletzter Satz, S. 41 fehlt „Volk“ vor Israel etc.) als auch in den Querweisen innerhalb des Buches (S. 42 Fn 95 bezieht sich wohl auf 3.6.3 nicht 2.6.4) oder in den Formatierungen (S. 38 FN 80, S. 80 3.5.4 andere griechische Schriftart, S. 117 Tabelle 3 ist die deutsche Übersetzung ausführlicher als das griechische Original, S. 119 ist der Bibeltext in die Fn 365 gesetzt worden und nicht in den Haupttext) eingeschlichen.
Das alles sind für sich genommen keine großen Probleme, die etwas an der Substanz des Buches ändern. Sie können an manchen Stellen dennoch für Irritationen sorgen und den Lesefluss stören.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass dieses Buch eine gute Übersicht über das Verständnis der Taufe aus freikirchlicher Sicht bietet. Wer sich in dieses Thema einarbeiten möchte und eine kompakte und dennoch breit angelegte Einführung sucht, kann mit gutem Gewissen zu diesem Buch greifen. Das gut sortierte Literaturverzeichnis und die gute Quellenarbeit eröffnen Wege für die intensivere Detailbeschäftigung.
Disclaimer: Ich habe das Buch als Rezensionsexemplar vom Verlag kostenfrei erhalten. Das hat keine Auswirkungen auf den Inhalt meiner Rezension.